Wir lagen am Heiligabend mit dem Schiff in West Hartlepool (England).
"Und nun, Koch, wie und wo Feiern wir denn heute Weihnachten?" fragte Kapitän Ruinys. Ich sagte, im Salon, in der Messe wird ein Buffet mit allem drum und dran aufgebaut (alles was vorrätig ist). Die Umschreibung drum und dran nahm der Kapitän wohl zu genau.
Der Steuermann Clemens meinte noch, eine Bowle musste auch her. Gesagt, getan, ich machte kalte Platten, Häppchen und Russische Eier. Es gab auch Speckkartoffelsalat und heiße Würstchen. Aber was dann von unseren Offizieren zusammengebraut wurde, oh mein "Herr Gesangsverein", eine Bowle, die es in sich hatte. Die zwei haben ja wohl alle Reste an Schnaps herausgeholt und in den großen Pott gekippt. Nun ja, ich habe noch Dosenfrüchte dazugegeben. Das blieb den ganzen Tag stehen, um gut durch zu ziehen.
Am Abend zur Salon-Weihnachtsfeier, zur fortgeschrittener Stunde, war es auch schon eine richtige Party. Die war klasse, mal etwas anderes. Wir sangen sogar Weihnachtslieder, mit Ton und allem, was dazugehörte. Unser Robert (Robby), spielte auch noch auf dem Schifferklavier.
Die selbstgebraute Bowle war Edel. Ich aß sogar noch die Früchte. Nicht nur ich, auch die anderen dachten, da bleibt nichts übrig. Der Alkohol geht ja bekanntlich in die Früchte, so haute dieses Getränk enorm hin. Ich jedenfalls weiß bis heute nicht, wie ich damals in die Koje gekommen bin. So erging es mir aber nicht alleine.
Diese Party war gelungen, und das Essen war sehr gut, alle waren zufrieden. Als ich morgens in der Küche war, hatte ich einen Brummschädel, aber auch das ging irgendwann mal wieder zu Ende. Dann kamen am ersten Weihnachtsfeiertag noch ältere Mütterleins an Bord, die von irgendeinem Lions Club waren, und brachten uns Geschenke, Briefkuverts und Schreibpapier. Da waren auch Schreibstifte und gestrickte Socken dabei, damit wir nicht frieren.
Das war England, die haben schon aufgepasst, das wir nicht erfrieren (Nett, nicht war?). Die Seeleute standen erst spät auf und schliefen erst einmal aus (ziemlich lange). Es war ja Weihnachten. Einen Tannenbaum hatte ich in der Offiziersmesse und einen in der Mannschaftsmesse geschmückt. Wir hatten ja drei davon bekommen. Einer kam vorne im Mast, weithin sichtbar für alle Seeleute, die mit Ihren Schiffen an uns vorbeifuhren, oder wir in den Hafen einliefen. Auch für uns Seeleute gab es die ruhige besinnliche Zeit.
Es war eine schöne Zeit, die ich dort in meinem Leben erleben durfte.
Geschrieben am 09.12.2012 Copyright by Hans-Jürgen Fischer